Zu meinem künstlerischen Standort
Bezugnehmend auf von mir geschaffene Hoch- und Flachreliefs beginne ich 1985 mit künstlerischen Arbeiten, bei denen die Trägerplatte des Reliefs entfällt. Rundstäbe und Vierkantstäbe aus Aluminium werden so miteinander verbunden, daß offene Gestalten entstehen. Diese liegen zum Teil flach auf der Wand auf, oder sie dringen in den Raum vor. Mit Acrylfarben und Lack sind sie unterschiedlich bemalt. Ohne die Trägerplatte des Reliefs können die linearen Elemente sich nun frei auf der Wand artikulieren.
Diese neuen Arbeiten sind verstärkt auf das Sehen ausgerichtet, sind Sehstücke. Das Sehen steht für eine Reihe von Künstlern im 20. Jahrhundert im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit. Es ist die bildsprachlich relevante Auswahl hinsichtlich des Darstellens, die von mir unter dem Aspekt des Sehens getroffen wird. Es gilt mit der Natur des Sehens zu arbeiten. “Natur des Sehens” bedeutet wie sehen passiert. Der Akt des Sehens ist nicht statisch sondern vollzieht sich in Bewegung. Es entsprechen ihm Polyvalenz der Beziehung von Bildelementen, mediale Doppeldeutigkeit, nicht-statische Räumlichkeit, Farb-Form-Beziehungen und offene Bildformen. Mehrdeutigkeit nicht Eindeutigkeit ist bestimmendes Prinzip. Insbesondere diese grundsätzlich am Sehen orientierten Überlegungen sind bestimmend für die Regeln der Produktion von mir seit 1985 gefertigter Wandobjekte.
Auf Sehhandlungen hin konzipierte Wandobjekte können den Rezipienten veranlassen u.a. Form zu sehen, sie in Veränderung zu sehen, Farb-Form zu sehen und Farbbewegung zu sehen, Stabelemente positiv zu sehen, ihre Schatten negativ und umgekehrt, den nicht-statischen Objektraum und Schattenraum zu ertasten, Innen als Außen und umgekehrt zu erfahren. Ein derartiges Sehen ist stets bedeutungsgeladen und assoziativ.
Parallel zu den Objekten aus Stabelementen entstehen in den letzten Jahren Zeichnungen auf Reliefs und vollplastische Körper. Insbesondere die Reliefs werden auch Träger für Malerei. Lichthafte Farben gehen mit der Lichthaftigkeit der Reliefs ein Verbindung ein; die unterschiedlich hellen Reliefflächen artikulieren die Farben lichthaft. Obwohl oft nur zwei Farben verwendet wurden, können jedoch vier oder mehr wahrgenommen werden. Auch diese Arbeiten sind auf Sehhandlungen hin konzipiert.

 

In meinen Arbeiten war das Licht schon immer von Bedeutung. Handelnd erprobe ich, wie je unterschiedlich Farbe an der Oberfläche bei unterschiedlicher Beleuchtung aussieht. Es kann eine Farbe unter anderem hell, dunkel, bläulich, rötlich erscheinen. Wichtig ist, wie eine Fläche zum Licht ausgerichtet wird, wie sie Beleuchtung erfährt. Das Relief ist deshalb als Träger für die Farben besonders geeignet. Im Umgang mit den Farben stellt sich die Frage, ob die Farb-Licht-Modulierung nur mit wenigen reinen Farben, aufgehellten Farben oder auch mit getrübten Farben möglich ist. Und in welchem Farbtonunterschied kann eine zweite Farbe und wie kann sie formal in die Gestaltung einbezogen werden? Eine Farbe ist immer geformt, sie kann nicht losgelöst von der Form untersucht werden. Die Form ist weitgehend bestimmt durch den reliefartigen Gegenstand. Die je andere Plastizität der Farben muss mit dem reliefartigen Gegenstand sinnvoll in Beziehung gesetzt werden. Hinzu kommt, dass ich seit einiger Zeit neben matten auch glänzende Farben in die Gestaltung miteinbeziehe. Diese erlauben es in besonderer Weise, den Eigenwert der Farben (Selbstreferenz) herauszustellen oder den Darstellungswert (Fremdreferenz) zu denotieren. So mache ich Sehangebote für den Betrachter. Mit Blick auf den Rezipienten formuliert Dietfried Gerhardus: “In seinen Wandobjekten thematisiert Sigurd Rompza Sehen, indem er letztendlich Anlässe, Vorwände für wissendes Sehen stiftet, Anlässe, Vorwände für den Erwerb von sensuellem Wissen durch tätiges Sehen. “

 

Sigurd Rompza