Tamas Jovanovics

In dieser zweiten Ausstellung in der Galerie Leonhard werden erstmalig nur Werke gezeigt, die allein mit Künstlerfarbstiften (öl/wachsbasierte Farbstifte) geschaffen wurden und zwischen 2011 und 2022 entstanden sind.
Seit 2002 arbeitet Jovanovics immer wieder mit diesen Farbstiften, (ursprünglich ein Weihnachtsgeschenk, über das er sich anfänglich gewundert hat) er zieht gerade, horizontale Linien untereinander oder in perspektivischen Situationen.

2003 sieht er in der Tate Modern in London eine Wand, die ihm unglaublich metaphysisch erscheint, es handelt sich dabei um ein von Sol LeWitt konzipiertes Werk, bei dem die Wand direkt mit Farbstiften gestaltet wurde. Es ist eine wichtige Erkenntnis für Jovanovics, dass in einer Zeit, in der auf der Biennale oder der Documenta überwiegend Video- oder Hightech-Installationen gezeigt werden, ein Künstler mit einem „low-tech“ Medium etwas derart Interessantes, sehr Elementares zustande bringt.
Jahrelang macht Jovanovics ausschließlich gerade horizontale Linien mit 2-3mm Abstand, mehrere hunderte innerhalb eines Werkes. Ihm gefällt die Idee, dass diese Linien, so eng aneinander platziert, eine sehr starke Vibration erzeugen und eine Energie ausstrahlen, die sich mit der Entfernung des Betrachters ständig verändert. Diese Periode dauert von 2002-2012. In der Ausstellung sind zwei (drei) dieser Werke zu sehen.

2012 schließt Jovanovics diese Serie ab und beginnt mit seiner 1cm Serie. Wie es der Name schon sagt, setzt er hier Linien im Abstand von 1 cm aber nicht nur waagrecht, sondern auch senkrecht und diagonal. Aus den Linien werden nun Raster eine ultimative Raster-Matrix. Der Effekt der Auflösung wird hier noch verstärkt, da die unterschiedlich gefärbten Linien aus der Distanz als wolkenartige Flächen wahrgenommen werden.
Die Arbeiten die zwischen 2012 und 2016 entstehen, bestehen aus durchgehenden Linien im 1cm Abstand.

2019 beginnt der Künstler nun wellenartige (wavy-shaky) 1cm Werke zu machen (5-6 Werke in der Ausstellung). Die Linien dieser Serie sind noch gerade, aber mehrmals „gebrochen“ durch die Interferenz dieser gebrochenen Linien entsteht ein wellenartiger Eindruck.

Für Jovanovics handelt es sich um eine minimalistische malerische Konstellation, die „durchdreht“ – durch die Wiederholung löst die Linie ihre eigene Substanz auf und erzeugt ihr eigenes Gegenteil.
Theoretisch ist die Linie etwas sehr Konkretes, wie eine Grenze. Bei Jovanovics fällt ihr jedoch die umgekehrte Rolle zu: Sie soll nicht abgrenzen, sondern dafür sorgen, dass das Bild sich als Objekt auflöst und auch die Schwere der tragenden Mauer relativiert und sodann unser materialistisches Raumgefühl durch ein metaphysisches Raumgefühl ersetzt.

Jenseits von Raum und Zeit, aber trotzdem hier in unserer Welt.

 


Statements

“...ich glaube meine Beziehung zu den Farben hängt tatsächlich damit zusammen, dass ich repetitive, neutrale, sich fast selbstauflösende formale Strukturen verwende. Eigentlich versuche ich der Nichtgreifbarkeit, Freiheit der Farben auf paradoxe Weise einen Rahmen oder besser: Raum zu geben. Bleibt die Form neutral, erhält die Anwesenheit der Farbe eine betontere Rolle. Diese Anwesenheit ist aber stets körperlos, stofflos. Farbe ist sehr mystisch, gleichzeitig aber auch banal. Mystisch, weil sie nicht greifbar ist, kein Gegenstand, keine Form ist, sie hat Millionen von Varianten und kann nicht für sich selbst verstanden, interpretiert werden. Banal, weil sie ständig präsent ist, uns umgibt, man ihr nicht ausweichen kann. Die Farbe hat etwas Duales: Sie ist das Sichtbarste, gleichzeitig aber das am wenigsten Fassbare in der Welt. Wegen dieses Paradoxons ist sie wahrscheinlich so begehrenswert.”