Günter Walter begann mit der Linie, die von freier Hand gezogen wird. Er erarbeitete aus sanften Schraffuren Farbbänder und quadratische Flächen, die jedoch nicht der Herstellung solcher Formen, sondern der Bewertung der Farbqualität dienten. Dieses Vorgehen kommt einer Vorprüfung der sich in der dünnen Farblinie auswirkenden Qualität gleich. Dadurch kann bewertet werden, was Paul Klee in seinen Aufgabenstellungen als Dreischritt für die Farbe analysierte: die Qualität der Farbe, ihr Gewicht und ihre Maßeigenschaft, letztere verstanden als Grenze, Umfang und Ausdehnung. Immer wieder ist erkennbar, wie der Künstler von schraffierten Flächen sozusagen Auszüge vornimmt, um damit Farblinien zu gestalten. Schraffuren dienen deshalb ganz klar nicht der Quantität der Farblinien, sondern der Qualität.
Günter Walter behält in der Farbe den Überblick von einem bis zu 32 Farbstiften. Damit lassen sich nun feine Geraden mit einem Duktus ziehen, den man nicht anders als leise nennen kann. Sie stehen aber nie allein auf der Fläche, sondern es ist der Sinn dieser Kunstübung, sie zu meist eng geführten Parallelen zu vereinigen. Es entstehen somit ,,Bänder" entweder in der einen gleichen Farbe oder ebensolche in gemischten Farben, wozu mit den Schraffuren oft die Farbwerte der komplementären Farben bestimmt werden. Eine einzige Farblinie, sanft durchgezogen, ist eine wunderbare Kunstlinie. Es gibt Künstler, die es oft bei zwei oder drei solcher Linien auf einem Blatt beruhen lassen. Dazu gehört dann meist der abnehmende Druck, mit dem die Linie ausläuft. Für Günter Walter setzt mit der Farblinie bzw. mit den Farblinienscharen eine andere Vorstellung ein, die Vorstellung konkreter Gestaltung. Für den Künstler der Konkreten Kunst ruft die Fläche nach Teilung, Bildplan, Ordnung, Kombination. Die Farbstiftlinie kommt der konkreten Gestaltung sehr entgegen - es gibt nur die reine, ungemischte Farblinie. Wenn jedoch mit Farbfamilien moduliert werden soll, lässt sich das durch nebeneinanderliegende Gruppen gleicher Farblinien erreichen. Daraus ergibt sich ein je nach Plan offeneres oder dichteres Gewebe, verursacht gleichsam durch Schuss und Kette. Dabei hat es der Künstler "in der Hand", unterschiedliche Wahrnehmungsakte paralleler Farblinien zu beeinflussen, z.B. durch additive Farbmischungen.