Als Gianfranco Zappettini 1977 auf der documenta 6 in Kassel seine großen weißen Bilder ausstellt, ist er in Gesellschaft von Robert Ryman und Olivier Mosset, die ebenfalls weiße Werke zeigen. Es handelt sich hierbei um die internationale Anerkennung von drei Hauptvertretern eines analytischen Ansatzes, vor allem aber um das Zeichen eines kulturellen Klimas, das im Weiß jene Absolutheit erkennt, die ideell den Konzepten „Annullieren“ und „Nullpunkt“ nahe steht, dem Konzept der „Grenze“ und, warum nicht, der „Reinheit“, wenn wir denn dem analytischen Vorgehen ein wenig Mystizismus hinzufügen möchten. Es ist alles Weiß, aber jedes Weiß ist anders und bedeutet etwas anderes, wie jeder Eskimo – nein, jeder Inuit – und jeder gute Kunstkritiker weiß. Sicher, hier bräuchte man den letztes Jahr verstorbenen Arthur Danto. Der müsste sich selbst in seinem berühmten Essay über die roten Bilder, die formal alle gleich und doch semantisch alle verschieden sind, paraphrasieren und dieses extrem klarsichtige System auf das Weiß übertragen. Intuitiv haben das in gewisser Weise ab Ende der 1950er Jahre ja schon die Künstler getan: Fontana, Manzoni, Castellani, Bonalumi, Scarpitta, Savelli, Simeti, um nur die Italiener zu nennen, sahen im Weiß das Zeichen für den Neuanfang, den sie erhofften (wie in dem italienischen Ausdruck passare una mano di bianco, also „ausweißen“, der im übertragenen Sinn „vergessen und neu anfangen“ bedeutet). Doch in jenem Fall konnte man das Weiß als bequemen und perfekten „Nullpunkt“ betrachten, als eine Art Absichtserklärung darüber, was die Malerei von nun an sein würde. Schon ein Jahrzehnt später – also zu jener Zeit, als für Zappettini die Phase der vollen künstlerischen Reife begann – bedeutete das Malen weißer Bilder etwas ganz anderes als in jener außergewöhnlichen Saison der Pioniere. Der „Nullpunkt“ war nicht länger ein Punkt, den man erreichen wollte, sondern ein Gebiet, das es zu erforschen galt, genau wie einige Jahrzehnte zuvor das Atom vom kleinsten Teilchen des Universums zu einem komplexen und vielgestaltigen Mikrokosmos geworden war.